Ist der Zusammenhang wirklich so einfach?
Wenn Wahrheiten simpel gestrickt sind, lohnt es sich genau hinschauen. Zum Beispiel bei der Behauptung: Diverse Unternehmen sind erfolgreiche Unternehmen. Das hört sich gut an. Aber stimmt es auch?
4. November 2021 // 3 min Lesezeit
Diversität ist ein weites Feld. Wenn sich Organisationen und Unternehmen dafür entscheiden, die Vielfalt zu fördern, sollten sie eine ganze Reihe an unterschiedlichen Dimensionen um Blick haben. Um die wichtigsten und gängigsten Kriterien zu nennen: Ethnische Herkunft und Nationalität, Geschlecht und geschlechtliche Identität, körperliche und geistige Fähigkeiten, Religion und Weltanschauung, sexuelle Orientierung, soziale Herkunft sowie Alter. Wer diese Vielfalt in seiner eigenen Belegschaft abbildet, soll als Unternehmen bessere Voraussetzungen für den eigenen Erfolg schaffen. So lautet zumindest die Erzählung, die weit verbreitet ist.
In vielen Statement und Reden von CEOs finden sich diese Behauptungen wieder. Sie spiegeln damit eine Erkenntnis, die sich jüngst in weiten Teilen der Gesellschaft durchgesetzt hat: Verschiedenartigkeit ist besser. Demgegenüber werden Gremien, die nur aus „alten, weißen Männern“ bestehen, als rückständig verspottet.
Längst haben sich die großen Unternehmensberatungen der Sache angenommen. Eine McKinsey-Studie aus dem Jahr 2018 belegt die Korrelation. In der Studie wurde festgehalten: „Je diverser, desto erfolgreicher. Unternehmen, die sich durch einen hohen Grad an Diversität auszeichnen, haben eine größere Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich profitabel zu sein. Besonders groß ist dieser Zusammenhang beim Frauenanteil im Topmanagement (Vorstand plus zwei bis drei Ebenen darunter). Unternehmen, die hier besonders gut abschneiden, haben eine 21 Prozent größere Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich erfolgreich zu sein.“ So schreibt es McKinsey und verweist sogar darauf, dass der Diversitätseffekt in Deutschland besonders wirkungsvoll sei.
Doch die Professorin Robin J. Ely von der Harvard Business School und ihr Kollege David A. Thomas warnen vor voreiliger Zufriedenheit. Sie schreiben: „Unternehmen werden nur dann wirklich von einer diversen Belegschaft profitieren, wenn sie ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sicher fühlen und nicht diskriminiert oder benachteiligt werden.“ Den ProfessorInnen zufolge ist Diversität also in doppeltem Sinne Einstellungssache. Sie sollte in den Personalabteilungen bei der Einstellung gelebt werden und muss sowohl im Arbeitsalltag als auch in sämtlichen Ebenen des Unternehmens gefördert werden. Hier geht es um die persönliche Einstellung jeder Mitarbeiterin und jedes Mitarbeiters.
Trotz aller Sonntagsreden besteht in vielen Organisationen Nachholbedarf. Wie weit der Weg zur Chancengleichheit noch gegangen werden muss, zeigt ein Blick in die Aufsichtsräte und Vorstände vieler DAX-Unternehmen. Doch das Dilemma steckt einige Ebenen tiefer. Die Initiative „Beyond Gender Agenda“ hat kürzlich den „German Diversity Monitor“ vorgelegt. Studieninitiatorin Victoria Wagner verortet das Diversitätsproblem vor allem in der mangelnden Priorisierung. Dem Handelsblatt gibt sie zu Protokoll: „Nur 26 Prozent der befragten Unternehmen würden die verantwortliche Person für Diversität im Vorstand oder in der Geschäftsführung ansiedeln.“ Sie fordert klar: „Diversität muss zur ChefInnensache werden.“
Die Durchsetzung von mehr Diversität hängt offenbar mit dem Stellenwert zusammen, den das Unternehmen als Ganzes dem Thema beimisst. Kein Zweifel besteht allerdings darin, dass die Personalabteilungen eine Schlüsselrolle haben. Hier setzt Michael Weber von grinnberg an, einer Personalberatung, die auf IT spezialisiert ist: „Das Thema Diversität steht bei allen Beraterinnen und Beratern ganz weit oben. Bei grinnberg wissen alle aus Erfahrung: Einstellungen, die nach objektiven Kriterien getroffen werden, fallen diverser aus.“ Die Beraterinnen und Berater versuchen dort aktiv zu helfen, wo Diversität nachgebessert werden soll. In diesen Organisationen kann mit jeder neuen Einstellung ein Defizit gelindert werden. Schließlich spricht nichts dagegen, den ersten Schritt vor dem zweiten zu machen. Hauptsache, der eingeschlagene Weg führt in die richtige Richtung.
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