Die Grenzen der künstlichen Intelligenz im Recruiting
Kann man mit künstlicher Intelligenz (KI) die Qualität von Einstellungen verbessern? Bis heute ist kein Nachweis gelungen. Einzelne KI-Tools mögen an manchen Stellen langwierige Tätigkeiten ersetzen. Doch bei der Personalauswahl ist das menschliche Gespür durch nichts zu ersetzen.
7. Juni 2021 // 2 min Lesezeit
„Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch…“. So macht es Amazon seit Jahrzehnten mit großem Erfolg. Beim automatischen Empfehlungsmarketing ist Amazon der Pionier. Viele sprechen bereits an dieser Stelle von KI-gestützter Werbung. Doch das Unternehmen hat auch Erfahrungen vorzuweisen, die die Grenzen der KI aufzeigen. Im Jahr 2018 wollte man einen Algorithmus entwickelt haben, der unter Bewerberinnen und Bewerbern die besten findet. Doch die Software und der Auswahlprozess landete schnell dort, wo man sie überhaupt nicht haben wollte: in der Presse. Der Vorwurf: Der Automatismus benachteiligte Frauen. Offenbar hatte die künstliche Intelligenz ein bestehendes Ungleichgewicht reproduziert. Amazon hatte schon immer viel mehr Männer eingestellt. Die KI hatte diesen Zustand gelernt. Die KI-Idee wurde zum PR-Debakel.
Auch die jüngste Idee steht in der Kritik: eine Software, die Videospots von Kandidatinnen und Kandidaten mit KI analysiert. Ein Team des Bayerischen Rundfunks (BR) hat ein solches Programm getestet. Laut Entwicklerfirma entschlüsselt es Stimme, Sprache, Mimik und Gestik von Personen und erstellt daraus ein Persönlichkeitsprofil. Der BR hat jedoch im Praxistest herausgefunden, dass bereits Kopftücher und ein Regal im Hintergrund des Spots das Gesamtergebnis wesentlich beeinflussen.
Der Weg ist zu einer KI, die wirklich den Mensch, seinen Charakter und seine Eigenschaften erfasst, ist noch weit. Die Wahrheit liegt auf der Hand: Vor dem Hintergrund des aktuellen Fachkräftemangels liegt im Einsatz von KI-Instrumenten eher ein Risiko als eine Chance. Wer möchte sich schon von Algorithmen beurteilen lassen, deren Kriterien längst undurchsichtig geworden sind? Gerade in der Persönlichkeitsbewertung steht die KI im Verdacht menschliche Vorurteile zu zementieren, statt sie abzubauen.
An einigen ausgewählten Stellen des Recruitings können überschaubare KI-Tools möglicherweise einen Sinn stiften. So kann ein ausgereifter Chat-Bot im Erstkontakt mit potentiellen neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eventuell erste, einfache Fragen beantworten. Auch beim Active Sourcing bzw. Social Media Recruiting können Softwaretools dazu beitragen, aussichtsreiche Fachleute zu finden, die im nächsten Schritt gezielt angesprochen werden. All die kleinen Unterstützungen sollten jedoch nicht den Blick darauf verstellen, dass dem Einsatz einer starken künstlichen Intelligenz im Bewerbungsprozess enge Grenzen gesetzt sind.
Das Perfect Match von Bewerberinnen und Bewerbern mit einem Unternehmen wird also in den Händen derer bleiben, die in den Personalabteilungen die Verantwortung tragen. Eine fundierte Beurteilung und echte Menschenkenntnis sind durch nichts zu ersetzen. Robot Recruiting bleibt ein schwieriges Feld. Nicht nur, weil die Technologie undurchsichtige Ergebnisse liefert. Sondern auch, weil die Akzeptanz auf Bewerberseite fehlt. In diesen Tagen zeigen sich die Probleme von KI sogar an anderen Stellen. Kein Algorithmus konnte die Veränderung des Kaufverhaltens während der Pandemie einschätzen. Experten sprechen längst davon, dass die Corona manche KI-Tools, die schon im Einsatz sind, mächtig zurück wirft. KI muss noch vieles lernen.
Bild: Art Hauntington on Unsplash